"Lehrplan für 2 Kinder" ...

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"Lehrplan für 2 Kinder" ...

Harald Mueller-2
"Lehrplan für 2 Kinder" ...

[Erster Mal gesendet am 25.9.2004.]

Hallo -

wie angedroht, lasse ich mich einmal über unsere "Lehrplanproblematik" aus.

["off-topic"-Bemerkung noch vorher: Schieberegler funktioniert großartig - v.a. auch bei der Automatiksteuerung kann man durch Rückwartsfahren die Straße wieder finden ...].

Als Vorbemerkung: Ich bin kein Schullehrer - wahrscheinlich ist die Hälfte meiner Fragen bei den wirklich Pädagogen schon gelöst ... weiß ich halt nicht :-)


A. Ich habe naiv und ohne "Lehrplan" begonnen, nur mit folgenden Ideen:

A1. Wir machen miteinander bis zum automatisch gesteuerten Auto; - hat wegen des Anfangsdrive genau ein Wochenende gebraucht!

A2. Ideen, was wir danach machen, werden uns schon einfallen; - stimmt!
A3. Es gibt ein Beispiel, das ich "irgendwann einmal" machen möchte: Simulation von 3 Planeten mit Schwerkraft.

Der erste Punkt war, wie gesagt, ziemlich schnell vorbei - eigentlich dachte ich, dass ich mit dem "vorgegebenen Material" 2..3 Samstage durchhalte; aber wir waren halt alle drei "high" letztes Wochenende.

Nachdem wir die Autos auf der Straße hatten (jedes ca. 5 Mal von vorne begonnen ... wegen diversen Problemchen), sind sie uns an scharfen Kurven (natürlich, würde der Regelungstechniker sagen ;-) ) hinausgefahren - also hatten wir schon das erste unerwartete Problem und einen offenen Punkt für heute. Lukas und ich hatten jeder eine Lösungsidee, Katrin war auch so mit ihren zwei Autos (jedes einzeln gezeichnet) zufrieden.

Nun habe ich mir zwei Sachen überlegt: Zum einen EToys-Beispiele. Gestern sind mir eingefallen:

* zwei Reibräder, die sich mit korrekter Geschwindigkeit drehen ("Zahnradgetriebe")
* ein Einmaleins-Trainer (aus gegebenem Anlass :-) )
* eine Aufzugsimulation
* das Bricks-Spiel
* eine Rakete startet auf einem Körper (Kugel), fliegt zum anderen, dreht sich an der Grenze zur Lufthülle um und sinkt mit langsamerer Geschwindigkeit zu Boden.

* eine Schlange, die "schön" kriecht (motiviert durch Katrin: Sie hat statt des Autos letzte Woche eine Schlange gemalt; aber die bewegt sich dann "starr" - das ist falsch. Da muss man doch was tun können :-) ).

* Simulation des 2...3...-Körper-Problems (Planetenbewegung)

Bei so ziemlich allen diese Beispielen kann man einerseits soweit vereinfachen, dass sie eigentlich mit den "Automitteln" funktionieren müssten (Aufzug braucht z.B. "Fühler", um Stockwerk zu finden; eine Farbe je Stockwerk); oder man kann sie realistisch machen - dann braucht man viel mehr (z.B.

- bei den Reibrädern und Planeten den Radius der Grafik;
- bei den Rädern eine Bedingung, die prüft, ob der Abstand der Mittelpunkt gleich r1+r2+-epsilon ist = "Berührbedingung".

- Ein "Abstand zu" wäre da gut - wobei sich die Frage stellt, wohin der Abstand gemessen wird [graphischer-Drehmittelpunkt ist wohl ok].

- Auch: Wie kann man exakte Kreise zeichnen - sonst eiern die Räder. Zwei Ideen:
** Mit Pinsel einen Kreis hinpflanzen und dann vergrößern/verkleinern.
** Oder ein "Auto" einen Kreis zeichnen lassen [aja - das mit dem Zeichnen hatten wir auch noch nicht ... wäre vielleicht nett]. Aber wie kann man die vom Auto gezeichnete Grafik a la "Keep" übernehmen?

** Ich bräuchte dazu wohl auch dx und dy oder besser noch dr und/oder dphi- wieviel hast Du dich im letzten Schritt bewegt/gedreht).

... zurück zum Thema "Lehrplan": Wenn man ehrlich ist, ist die Liste oben natürlich kein "Lehrplan" - es ist eine Liste von Beispielen, die alle mehr oder weniger Spaß machen. Also habe ich mir auch eine "abstrakte Liste von Lehrinhalten" kurz überlegt (so wie ich das für die Java-usw.-Kurse gemacht habe, die ich erstellt habe und halte) - ca. so:

Auto bauen                -> Agieren, malen
Auto fahren lassen        -> automatische Wiederholung verstehen
Lenken mit 1:1-Verbindung -> Variablen/Slots; und ihre Verbindung
Lenken mit 1:10           -> Was ist eine Formel
Automatik                 -> if-then-else; und Sensoren (über Farbe)

- aber ich bin mir weder sicher, ob das für Kinder relevant ist, noch eigentlich, ob es für Erwachsene relevant ist (ich muss in meinem Job auch nicht "das if-then-else verstehen", sondern ein Problem mit Bedingungen lösen) - daher endet die Liste auch hier.

Man könnte - z.B. der Ausbildung in chinesischer Malerei folgend - eben auch argumentieren, dass einfach das (Nach- und Selber-)Machen von Beispielen das Verständnis fördert. Eine "Zuordnung" zu anderen Dingen der Welt können wir später auch noch machen ...



B. Ich habe mich jetzt entschieden, dass es auch "Hausaufgaben" geben wird oder "Challenges" oder wie man das nennen will: Heute z.B. (Idee von Lukas): Auto mit Lenkrad von letzter Woche, aber zusätzlicher "Sicherheitsschaltung", die das Auto stoppt, wenn es von der Straße herunterfährt.



C. Mathematische Formeln in Programmen (Skripts): Die brauchen "Slots" oder "freie Werte" oder "Variablen" - was ein Konzept der Algebra ist. Das können beide noch nicht (in der Grundschule steht nur Arithmetik und - ganz wenig - "Rate-Algebra" auf dem Lehrplan). Wie soll es ablaufen?

C1. Das Konzept der Variablen, des "für mich unbekannten; aber dann jeweils schon fixierten Wertes" *durch das Programmieren* verstehen und auch erklärt bekommen. Das ist ein schwieriges Konzept - ich hab's Lukas schon ein paarmal an Beispielen erklärt (und ich bilde mir, sowas für [meine] Kinder ganz gut erklären zu können); aber "gezündet" hat es bei ihm noch nicht ...

C2. Warten, bis die Schule das auf herkömmliche Art macht (wann? keine Ahnung) - aber da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wir wollen ja (alle?) mit Squeak o.ä. die Lernmethoden verbessern; und glauben auch, dass man damit

Also wohl:
C3. Beim Programmieren "machen" - dann bildet sich im Kopf schon irgendein Bild heraus .... (dafür hätte ich aber gerne meine "roten Abhängigkeitspfeile" aus der letzten EMail). Aber das verhindert einige ganz elementare Dinge (den Schieber z.B. - oder auch nicht: Weil man das Umformen auf abstrakter Ebene wohl nicht braucht [der Formeleditor sollte aber richtig sein ...]).

Ich mache wohl weiter wie bisher: Wir machen Beispiele Beispiele Beispiele - auch jedes Versehen ist eine Chance zum Wiederholen (z.B. wird das Auto halb abgeschnitten, wenn man zu nahe am Rand das "Neu zeichnen" aufruft - na, dann halt von vorne: Eine nicht schlechte Art von Lernen, wenn man's gern oder selbstverständlich macht). Und dazwischen greife ich natürlich schon zu Papier und Bleistift und will erklären - geht aber schwer, weil beide natürlich weiter am Computer herumhantieren ... In "großen" (Erwachsenen-)Kursen passiert mir dasselbe, dann werde ich Diktator: "Jetzt hören alle mal auf - auch Sie!!" Mit den Kindern werde ich wohl - gegen meine "Erklärsucht" - einmal wirklich das Gegenteil probieren - denn sie kommen ja doch irgendwann mit Fragen, wie alles zusammenhängt - und manchmal sogar zuviel davon. Ich muss mich nur drauf einstellen, dass ich darauf warte oder wenigstens nur behutsam (durch Beispiele und Aufgaben) dorthinsteuere!


D. Soll man Beispiele "ausschlachten bis zum Geht-nicht-mehr"?
Die Autos werden langsam langweilig, scheint's. Andererseits sind wir dort gut genug, um interessante Ergänzungen zu machen und neue Dinge auszuprobieren (z.B. der unerwartete Effekt, dass sich zwei Autos mit den Nicht-von-der-Straße-Fall-Sensoren bei einer Begegnung teilweise ausweichen - da kann man was draus machen!).

Trotzdem: Wir werden uns an die Beispiele oben machen ...


So - das war einmal eine Sammlung von Gedanken dazu, auf was wir uns da eingelassen haben :-)

Grüße
Harald


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Re: "Lehrplan für 2 Kinder" ...

Stefan Schmiedl
Harald M. Müller (2004-10-22 09:49):

>
> Als Vorbemerkung: Ich bin kein Schullehrer - wahrscheinlich ist die
> Hälfte meiner Fragen bei den wirklich Pädagogen schon gelöst ... weiß
> ich halt nicht :-)

Als ehemaliger Studienreferendar kann ich dir versichern,
dass die meisten Pädagogen bestenfalls theoretische Lösungen
für echte Anwendungsfälle haben :-P

>
> A. Ich habe naiv und ohne "Lehrplan" begonnen, nur mit folgenden Ideen:

Das ist schon mal die beste Voraussetzung. Lehrpläne sind für die
Pädagogik das, was Wasserfall für die Software-Entwicklung ist.
Die besten Lernerfolge erzielst du dann, wenn du deinen Kindern
das beibringen kannst, was sie gerade als Problem empfinden.

Nachdem du für die "technischen" Fragen hier ausreichend kompetente
Ansprechpartner finden dürftest, plaudere ich etwas über die andere
Seite des Vorhabens.

>
> Der erste Punkt war, wie gesagt, ziemlich schnell vorbei - eigentlich
> dachte ich, dass ich mit dem "vorgegebenen Material" 2..3 Samstage
> durchhalte; aber wir waren halt alle drei "high" letztes Wochenende.

Kinder sind da unberechenbar ... nicht zuletzt auch die großen :-)

> Nachdem wir die Autos auf der Straße hatten (jedes ca. 5 Mal von vorne
> begonnen ... wegen diversen Problemchen), sind sie uns an scharfen
> Kurven (natürlich, würde der Regelungstechniker sagen ;-) )
> hinausgefahren - also hatten wir schon das erste unerwartete Problem und
> einen offenen Punkt für heute. Lukas und ich hatten jeder eine
> Lösungsidee, Katrin war auch so mit ihren zwei Autos (jedes einzeln
> gezeichnet) zufrieden.

Das ist schon mal eine gute Idee: Mit einem Problem aufhören, über
das man nachdenken kann.

>
> Auto bauen                -> Agieren, malen
> Auto fahren lassen        -> automatische Wiederholung verstehen
> Lenken mit 1:1-Verbindung -> Variablen/Slots; und ihre Verbindung
> Lenken mit 1:10           -> Was ist eine Formel
> Automatik                 -> if-then-else; und Sensoren (über Farbe)
>
> - aber ich bin mir weder sicher, ob das für Kinder relevant ist, noch
> eigentlich, ob es für Erwachsene relevant ist (ich muss in meinem Job
> auch nicht "das if-then-else verstehen", sondern ein Problem mit
> Bedingungen lösen) - daher endet die Liste auch hier.

Die rechte Hälfte ist Kindern egal, da es hier um Abstraktionen geht,
die (vermutlich) für die Altersstufe bedeutungslos sind. Sie ist aber
hilfreich für dich, um herauszukriegen, ob du eine "wesentliche"
Tätigkeit noch nicht behandelt hast. Weißt du aber schon. Für die
Kleinen ist wesentlich, dass sie verschiedene Tätigkeiten im Wechsel
ausüben können, damit es nicht langweilig wird.

> Man könnte - z.B. der Ausbildung in chinesischer Malerei folgend - eben
> auch argumentieren, dass einfach das (Nach- und Selber-)Machen von
> Beispielen das Verständnis fördert. Eine "Zuordnung" zu anderen Dingen
> der Welt können wir später auch noch machen ...

So so ... erstaunlich wie sich die Erkenntnisse gleichen. Ist ja auch
bei manuellen Tätigkeiten so. Die meisten können eine Schleife schon
lange binden, bevor sie mit einer Beschreibung der Tätigkeit auch nur
ansatzweise in Realitätsnähe kommen. Ich würde sagen, du hast mit deinen
Kindern einen sehr guten Weg gewählt.

> B. Ich habe mich jetzt entschieden, dass es auch "Hausaufgaben" geben
> wird oder "Challenges" oder wie man das nennen will: Heute z.B. (Idee
> von Lukas): Auto mit Lenkrad von letzter Woche, aber zusätzlicher
> "Sicherheitsschaltung", die das Auto stoppt, wenn es von der Straße
> herunterfährt.

Prima. Üben tut not. Hoffentlich gibt es ausreichend Rechner im Hause,
um nicht an Abstimmungsproblemen zu scheitern.

> C. Mathematische Formeln in Programmen (Skripts): Die brauchen "Slots"
> oder "freie Werte" oder "Variablen" - was ein Konzept der Algebra ist.
> Das können beide noch nicht (in der Grundschule steht nur Arithmetik und
> - ganz wenig - "Rate-Algebra" auf dem Lehrplan). Wie soll es ablaufen?

Ich kann mich aus der Grundschule dunkel an "Platzhalter" erinnern, die
wir mit so komischen Schablonen gezeichnet haben.

>
> C1. Das Konzept der Variablen, des "für mich unbekannten; aber dann
> jeweils schon fixierten Wertes" *durch das Programmieren* verstehen und
> auch erklärt bekommen. Das ist ein schwieriges Konzept - ich hab's Lukas
> schon ein paarmal an Beispielen erklärt (und ich bilde mir, sowas für
> [meine] Kinder ganz gut erklären zu können); aber "gezündet" hat es bei
> ihm noch nicht ...

Versuch's mal mit "Abkürzung": Der Buchstabe da steht für eine Zahl,
die der Computer kennt und die zu umständlich hinzuschreiben ist.

> C2. Warten, bis die Schule das auf herkömmliche Art macht (wann? keine
> Ahnung) - aber da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wir wollen ja
> (alle?) mit Squeak o.ä. die Lernmethoden verbessern; und glauben auch,
> dass man damit

äääähhh.. nö. Warte nicht auf die Schule.

> Ich mache wohl weiter wie bisher: Wir machen Beispiele Beispiele
> Beispiele - auch jedes Versehen ist eine Chance zum Wiederholen (z.B.
> wird das Auto halb abgeschnitten, wenn man zu nahe am Rand das "Neu
> zeichnen" aufruft - na, dann halt von vorne: Eine nicht schlechte Art
> von Lernen, wenn man's gern oder selbstverständlich macht).

Beispiele Beispiele Beispiele ist gut, aber
Beispiele Beispiele Beispiele Beispiele ist besser :-)

> Und
> dazwischen greife ich natürlich schon zu Papier und Bleistift und will
> erklären - geht aber schwer, weil beide natürlich weiter am Computer
> herumhantieren ... In "großen" (Erwachsenen-)Kursen passiert mir
> dasselbe, dann werde ich Diktator: "Jetzt hören alle mal auf - auch
> Sie!!"

Boah. Das muss ich auch mal probieren! In einem Lehrsaal habe ich mal
was Nettes gesehen: Ein Knopfdruck und alle Bildschirme sind aus.
Während der Einführungsphase nicht zu empfehlen, weil alle denken, sie
haben den Rechner kaputt gemacht, hinterher aber prima :-)

> Mit den Kindern werde ich wohl - gegen meine "Erklärsucht" -
> einmal wirklich das Gegenteil probieren - denn sie kommen ja doch
> irgendwann mit Fragen, wie alles zusammenhängt - und manchmal sogar
> zuviel davon. Ich muss mich nur drauf einstellen, dass ich darauf warte
> oder wenigstens nur behutsam (durch Beispiele und Aufgaben)
> dorthinsteuere!

Finde ich toll, dass du so was merkst. Wenn du es zulässt, biegen dich
deine Kinder in zwei oder drei Monaten so weit hin, dass du für sie ein
prima Lehrer wirst.

> D. Soll man Beispiele "ausschlachten bis zum Geht-nicht-mehr"?

Nein! Vielleicht irgendwann mal wieder drauf zurückkommen. Aber bloß
nicht auf einer Sache herumreiten. Ebenso wie verschiedene Tätigkeiten
brauchen die Kleinen verschiedene Objekte, auf die sich ihre
Aufmerksamkeit richtet.

> Die Autos werden langsam langweilig, scheint's. Andererseits sind wir
> dort gut genug, um interessante Ergänzungen zu machen und neue Dinge
> auszuprobieren (z.B. der unerwartete Effekt, dass sich zwei Autos mit
> den Nicht-von-der-Straße-Fall-Sensoren bei einer Begegnung teilweise
> ausweichen - da kann man was draus machen!).

Squeak Stock Car Racing :-)

--
Stefan Schmiedl